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Vontobels Algorithmen
Publiziert am 15.05.2023 MESZ
Innovation der algorithmischen Handelsstrategien im Transaction Banking wird nicht nur durch die Kundennachfrage, sondern auch durch einen internen Ideenpool, Fachwissen im Algo-Trading und laufende Forschungsprojekte vorangetrieben. Hier stellen wir zwei Execution-Strategien vor, die wir kürzlich in unser Portfolio von Algorithmen aufgenommen haben: Trailing-Stopp und AUTO-Modus für die Algo-Strategie PACE.
— Trailing-Stopp-Execution-Algorithmus
Trailing-Stopp (TSTOP) ist ein Execution-Algorithmus mit einem integrierten Risikomanagement-Tool, den wir unseren Kunden anbieten. Sein Hauptzweck besteht darin, eine Position mit festen Risikolimiten aufzubauen oder aus ihr auszusteigen und dabei gleichzeitig opportunistisch von günstigen Preistrends zu profitieren.
Der Algorithmus überwacht kontinuierlich die Marktpreise, um den Stopplevel zu definieren. Entwickelt sich der Kurs günstig, wird der Stoppkurs entsprechend angepasst, wobei gleichzeitig der benutzerdefinierte Trailing-Abstand eingehalten wird. Im Gegensatz dazu bleibt der Stoppkurs unverändert, wenn sich der Kurs zu unseren Ungunsten entwickelt. Ein Beispiel für die TSTOP-Execution einer Verkaufsorder ist in Grafik 1 dargestellt. Die Order wird erst bei Erreichen des Stoppkurses am Markt platziert. Danach wird die Order über den Vontobel Smart Order Router zum besten verfügbaren Preis über mehrere Handelsplätze (Lit, Darks, Periodics und Systematic Internalizers) ausgeführt.
Mit seiner intuitiven und unkomplizierten Execution-Logik bietet der Trailing-Stopp-Algo den Kunden eine bequeme Möglichkeit, von günstigen Marktbedingungen zu profitieren, ohne die Märkte beobachten oder die Order manuell anpassen zu müssen. Kunden können von unserer latenzeffizienten Infrastruktur profitieren, die zur Anpassung des Stopplevels genutzt wird, sowie von einem umfassenden Liquiditätspool an verschiedenen Arten von Handelsplätzen.
Bis vor kurzem wurde der Trailing-Stopp vor allem intern genutzt, aber jetzt steht er allen unseren Kunden über die Electronic Sales Trading und Global Execution Desks von Vontobel sowie über die folgenden elektronischen Kanäle zur Verfügung: TradingScreen (TradeSmart und QUO), BlackRock Aladdin, Bloomberg EMSX, MAX und FIX.
— Optimale Execution und der Trailing-Abstand
Der massgebliche Parameter des Algorithmus ist der Trailing-Abstand, der die Risikotoleranz des Kunden definiert. Ein kleinerer Trailing-Abstand bedeutet, dass die Execution der Order durch Preisschwankungen entlang des Trends beeinflusst wird, insbesondere auf volatilen Märkten. Wenn der Kunde in unserem früheren Beispiel (Grafik 1) dieselbe Order mit einem Trailing-Abstand von 20 Basispunkten (Bp) anstelle von 30 Bp gesendet hätte, wäre die Order viel schneller ausgeführt worden (12:38:27 Uhr), allerdings mit einem Verlust von 19,5 Bp (siehe Grafik 2).
Grafik 1: Simuliertes Beispiel der TSTOP-Execution einer Verkaufsorder auf Roche Holding AG mit 30 Bp Trailing-Abstand bei steigenden Marktbedingungen.
Grafik 2: Simuliertes Beispiel einer suboptimalen Parameterwahl für den TSTOP-Algo (Verkaufsorder).
Andererseits bedeuten grössere Trailing-Abstände, dass der Algorithmus länger braucht, um auf Trendänderungen zu reagieren. Wenn beispielsweise dieselbe Order mit einem Trailing-Abstand von 80 Bp gesendet würde, wäre die Ausführung um 12:38:27 Uhr mit einer Preisverbesserung von 78,6 Bp abgeschlossen, was der Hälfte der Verbesserung bei einem Trailing-Abstand von 30 Bp entspricht. Und schliesslich verstärken grössere Trailing-Abstände die Risiken ungünstiger Kursbewegungen, die dann zum Tragen kommen, wenn die Order an den Markt geschickt wird, während dieser sich in eine ungünstige Richtung bewegt oder momentan keinen Trend aufweist. Um auf unser Beispiel (Grafik 2) zurückzukommen: Hätten wir die Order mit einem Trailing-Abstand von 80 Bp um 13:35:00 Uhr abgeschickt, als sich der Intraday-Trend bereits umgekehrt hatte, wäre sie zwanzig Minuten später mit einem Verlust von 79,9 Bp ausgeführt worden.
Generell sollte der Trailing-Stopp-Abstand auf Basis der aktuellen Marktvolatilität und des erwarteten Preistrends festgelegt werden (diskretionäre oder systematische Zukunftsprognose). Der TSTOP-Algo ist am nützlichsten, wenn der erwartete Trend gegenläufig zum Handel ist, d. h., wenn Verkaufsorders gesendet werden, während der Markt steigt, und Kauforders gesendet werden, während der Markt rückläufig ist. Wird hingegen davon ausgegangen, dass der Marktpreis sich in die Richtung des Handels bewegt, wären aggressivere Execution-Algos (wie der SOR oder ein liquiditätssuchender PACE-Algo) vorteilhaft.
Grafik 3: Bestimmung des Trailing-Abstands des TSTOP-Algos in Abhängigkeit von den Marktbedingungen.
Der Trailing-Stopp-Algorithmus (TSTOP-Algo) beruht auf einer einfachen und sehr intuitiven Logik, und dennoch ist dieses Beispiel eine perfekte Veranschaulichung eines entscheidenden Aspekts des Algorithmic-Brokerage-Geschäfts: die Bedeutung von Kundenentscheidungen zu den Algo-Parametern und die Notwendigkeit, Kunden kontinuierlich über alle Aspekte und Besonderheiten jedes verwendeten Algorithmus aufzuklären.
Der TSTOP-Algo wird mit dem Arrival Price verglichen, aber dies ist einer der Fälle, in denen der Algorithmus keine intrinsische Performanceerwartung hat und die Slippage (durchschnittlicher Fill Price im Verhältnis zum Arrival Price) weitgehend von den aktuellen Marktbedingungen und den Anweisungen des Kunden bestimmt wird.
— Autopilot oder manuelles Getriebe?
Leider gibt es beim Algorithmic Trading in der Regel keine «One size fits all»-Lösungen: Die Parameter für eine optimale Execution, die Wahl der Algorithmen selbst oder sogar die Entscheidung, eine Order über einen Smart Order Router zu senden, anstatt einen Algorithmus zu wählen, hängen von einer Reihe von Faktoren ab, angefangen bei den aktuellen Markt- und Liquiditätsbedingungen bis hin zu den Besonderheiten und Anforderungen der Order selbst.
Diese Entscheidungen stellen für die Kunden eine (sowohl technische als auch analytische) Belastung dar, da sie nun ständig den Finger am Puls der momentanen Marktliquidität haben müssen und einen Überblick über die Details der Implementierung der einzelnen Strategien, welche von ihren Brokern angeboten werden, behalten müssen. Diese Belastung steht jedoch oft in keiner Verbindung zu ihren Hauptaktivitäten, wie z. B. der Verwaltung ihrer langfristigen Portfolios oder der Übernahme einer Beratungsfunktion für ihre eigenen Kunden.
Beim Vontobel Transaction Banking bemühen wir uns intensiv darum, unsere Kunden von unnötiger Komplexität zu entlasten, z. B. von der Anzahl der zu konfigurierenden Parameter, und überlassen es stattdessen den Algorithmen selbst, die optimalen Parameter auf der Basis unseres firmeneigenen Portfolios an quantitativen Prognosemodellen und Handelssignalen auszuwählen. Während die Welt auf selbstfahrende Elektrofahrzeuge zusteuert, arbeiten wir bei Transaction Banking an der Entwicklung des Autopilot-Modus für unsere Algorithmen. Gleichzeitig werden wir jedoch unseren Kunden, die selbst die Zügel in die Hand nehmen wollen, weiterhin die volle Bandbreite an Tuning-Optionen anbieten.
Ein Beispiel für diese Bemühungen ist ein erster Schritt, den wir in diese Richtung unternommen haben – ein neuer AUTO-Modus für den PACE-Algorithmus, der sich derzeit in der Beta-Testphase für interne und externe Kunden befindet.
PACE AUTO ist die neueste Ergänzung zu den vier Core-Modi des PACE-Algorithmus, die sowohl die Dringlichkeit als auch die Aggressivität definieren: NOW, FAST, NORMAL und PASSIVE. Jeder Modus verfügt über einen vorkonfigurierten Satz von Regeln zur Bestimmung des Abschlusspreises und der Runaway-Beteiligungsrate. Während PACE NOW, der aggressivste Modus, beim Initial Sweep den Far Side Touch plus bis zu drei Ticks in Kauf nimmt und später mit 50 Prozent des öffentlichen Volumens partizipiert, nimmt PACE PASSIVE, der konservativste Modus, den Far Side Touch und partizipiert nur an 10 Prozent des Volumens mit einem Abschlusspreis entsprechend dem Own Side Touch.
«Leider gibt es beim Algorithmic Trading in der Regel keine “One size fits all”-Lösungen.»
Dr. Vladimir Filimonov
Head of Algorithmic Trading
— Der Weg zum Algo-Wheel – wie sollten Sie Ihre Maschine trainieren?
Weil er zu aggressiv ist, wäre PACE NOW für illiquide Instrumente zu ungeduldig, während PACE PASSIVE Chancen bei aktiv gehandelten Aktien verpassen könnte. Wie können Sie in jeder Situation von vornherein den richtigen Modus wählen? Der Intuition folgend, sollte die Entscheidung durch eine Analyse der historischen Performance begründet sein.
Alle vier PACE-Modi übertreffen im Allgemeinen den VWAP-Benchmark in einem breiten Spektrum von Marktordnungen und Ordervolumen. Beispielsweise betrugen im ersten Quartal 2022 die Performancezahlen +1,37 Bp, +1,47 Bp, +2,10 Bp und +2,45 Bp für NOW, FAST, NORMAL bzw. PASSIVE.
Die Slippage (Performance im Verhältnis zum Arrival Price) ist jedoch viel volatiler und hängt zudem zunehmend von den aktuellen Marktbedingungen ab. Dazu gehören unter anderem: unmittelbare und historische Spreads, verfügbare Liquidität im Orderbuch, (Tick-)Volatilität der Aktie, Ordervolumen im Verhältnis zum täglich gehandelten Volumen, Vorhandensein oder Fehlen kurz- oder langfristiger Trends zum Zeitpunkt der Ordereingabe, Ankunftszeit des Tages, Primärbörse, Zusammensetzung alternativer Handelsplätze usw.
Eine so breite Palette von Attributen (oder «Merkmalen») würde naiverweise dazu verleiten, eine Machine-Learning- Lösung auf die Daten historischer Ausführungen anzuwenden, zumal Deep Learning Frameworks heutzutage in einfach zu verwendenden Bibliotheken leicht verfügbar sind. Die grundsätzliche Schwierigkeit im Zusammenhang mit Brute Force Machine Learning in diesem Fall ist vielschichtig. Erstens ist der Datensatz historischer Algo-Auswahlen stark verzerrt, da der jeweilige Algo-Modus immer vom Kunden verlangt wurde. Daher sind Änderungen der Beliebtheit der Algorithmen oft durch Änderungen des Kundenvolumens und nicht durch die Performance des Algorithmus begründet. Zweitens entwickeln sich die Märkte selbst weiter, und verschiedene Zeitperioden (z. B. der COVID-19-Crash im März 2020 gegenüber dem ruhigen Dezember 2021 und Februar/März 2022) unterscheiden sich ganz erheblich in Bezug auf die Marktdynamik. Darüber hinaus ändert sich auch die Algo-Logik, da unser Team ständig an der Verbesserung bestehender Systeme arbeitet, und PACE-2022 unterscheidet sich recht stark von dem ursprünglichen PACE-2018. Selbst wenn der gesamte Datensatz als Big Data betrachtet werden könnte, sinkt daher die Anzahl der Aufzeichnungen in jedem Zeitraum drastisch, sobald wir beginnen, die Daten in stationäre Zeiträume zu unterteilen und sie für die Modellkalibrierung in In-Sample und Out-of-Sample aufzuteilen.
Grafik 4: Ein Beispiel für ein stark «überangepasstes» Modell, das auf die Auswahl des besten PACE-Modus abzielt (auf der Grundlage des historischen Spreads und des relativen Ordervolumens). Diese Art der Prognose ist nicht nur unsinnig (warum sollte beispielsweise ein Anstieg des Ordervolumens um 10 Bp zu einem Wechsel von NOW zu PASSIVE führen, nur um nach einem weiteren Volumenanstieg um 10 Bp wieder zurückzuwechseln), sondern ihre Anwendung in der Praxis wäre auch schlechter als eine zufällige Auswahl eines Modus.
Und schliesslich ist jede Performancemessung aufgrund der normalen Marktvolatilität immer mit einem grossen Rauschen verbunden. Wenn wir einen guten Perfomancewert für eine Ausführung sehen, wirft dies immer eine Frage auf: Liegt es daran, dass der Algorithmus gut gearbeitet hat, oder hat sich der Markt nur in eine günstige Richtung bewegt?
— PACE AUTO
Wie können wir also automatisch den korrekten Algo-Modus wählen? Der reine Machine-Learning-Ansatz ist nicht so unkompliziert: Es ist immer möglich, ein Prognosemodell an historische Daten anzupassen, aber ohne Berücksichtigung der oben genannten Probleme und äusserste Vorsicht würden wir am Ende ein Modell erhalten, dessen Prognosen nichts mit der Realität zu tun haben.
Ein anderes Extrem wäre ein diskretionäres Regelwerk auf Basis der Intuition und Erfahrung der Trader (z. B. wenn der Spread weniger als 10 Bp beträgt und die Order weniger als 2 Prozent des Tagesvolumens ausmacht, wähle NOW; bei grossen Spreads von 50 Bp und mehr oder Orders, die mehr als 25 Prozent des Tagesvolumens ausmachen, wähle PASSIVE usw.).
Wir haben uns für eine Lösung entschieden, die zwischen einem reinen diskretionären Ansatz und Black Box Machine Learning liegt – d. h., wir haben uns entschieden, das Modell unter Verwendung einer diskretionären Logik zu konstruieren und uns gleichzeitig auf die Ergebnisse einer rigorosen statistischen Analyse der historischen Daten zu stützen. Zu diesem Zweck haben wir die historische Performance der verschiedenen Modi analysiert und dabei besonders auf das Rauschen in den Daten geachtet. In diesem Fall ist die Slippage der geeignetste Massstab für die Performance des PACE-Algorithmus, aber sie muss zwischen den verschiedenen Titeln angemessen normalisiert werden, z. B. durch die Marktvolatilität des Instruments.
Unsere Analyse bestätigte unsere Intuition, dass die erwarteten Auswirkungen der verschiedenen PACE-Modi auf den Markt sich überwiegend durch ihre Ausführungszeiten erklären lassen (siehe Grafik 5), die wiederum zu einem Grossteil vom relativen Ordervolumen (als Anteil am gesamten Tagesvolumen) bestimmt werden. Andere Faktoren, wie der unmittelbare oder historische Bid-Ask-Spread oder die unmittelbare Liquidität im Orderbuch, haben nur wenig Einfluss auf die Wahl des Modus in unserem aktuellen Orderflow und bringen häufig eine Verbesserung, die nicht vom Rauschen zu unterscheiden ist.
Die erste Version von PACE AUTO wurde für interne und externe Kunden (über die Electronic Sales Trading und Global Execution Desks von Vontobel sowie über elektronische Kanäle) freigegeben. Sie dient als einzigartiger Einstiegspunkt, der den Prozess der Ordereingabe vereinfacht und es den Kunden gleichzeitig ermöglicht, die volle Leistungsfähigkeit der PACE-Algo-Familie zu nutzen. Da es sich technisch um eine reine Verbesserung unseres bestehenden Algo-Stack handelt, dient sie als erster wichtiger Schritt, um unseren Kunden ein vollwertiges Algo-Wheel für die optimale Wahl des Execution-Algorithmus basierend auf den Ordereigenschaften und den aktuellen Marktbedingungen anzubieten.
Grafik 5: Durchschnittliche Slippage (Differenz zwischen durchschnittlichem Ausführungspreis und Arrival Price) als Funktion der Ausführungszeit für verschiedene PACE-Modi, berechnet für 25 000 Orders.
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ÜBER DIE AUTOREN
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Dr. Vladimir Filimonov
Head of Algorithmic Trading
Vladimir Filimonov leitet das Algorithmic Trading Team in der Abteilung Trading Product Development im Transaction Banking bei Vontobel. Er ist verantwortlich für die Konzeption und Umsetzung der algorithmischen Handelsstrategien.