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Vontobels SOR-Infrastruktur
Publiziert am 18.09.2023 MESZ
Heute ist die europäische Börsenlandschaft fragmentierter denn je. MiFID II, Post-Brexit und der Wegfall der Börsenäquivalenz sind einige der Faktoren hinter dieser Entwicklung. Als Antwort auf diese neue Situation haben wir in den letzten drei Jahren unseren eigenen Smart Order Router (SOR) entwickelt, der uns klar an der Spitze des Schweizer Marktes positioniert und uns auf die gleiche Stufe stellt wie globale Broker und Tier-1-Banken in Europa.
01010011 01001111 01010010 – dieser binäre ASCII-Code steht für das Akronym «SOR» in der digitalisierten Welt. Obwohl der ASCII-Code-Standard heute mehr als 50 Jahre alt ist, wird er in unseren IT-Systemen immer noch erfolgreich eingesetzt. In der Abteilung Trading Product Development verbinden wir die reale mit der digitalen Welt, indem wir verfügbare Tools und Systeme nutzen oder sie selbst entwickeln, wenn dies wirtschaftlich vertretbar ist. Damit wir erfolgreich Systeme im Trading-Bereich entwickeln können, müssen wir verstehen, wie die reale Welt in der digitalen abgebildet werden kann. Dafür brauchen wir Spezialisten wie Software-Ingenieure, Quants und IT-Solution-Architekten, die in der Lage sind, analoge Geschäftsabläufe in formalisierte digitale Prozesse zu verwandeln.
Wenn ich mit den Händlern aus dem Electronic Sales Trading Team spreche, machen sie oft Witze darüber, dass ich in der Lage sei, Daten in dieser Art von binärer Form in meinem Gehirn zu verarbeiten. Ich kann Ihnen versichern, dass dies nicht der Fall ist. Allerdings ist es heute so gut wie unmöglich, in einer Branche zu arbeiten, die noch nicht von der Digitalisierung erschüttert wurde. Im Bereich des Aktienhandels wurde der elektronische Handel vor mehr als 25 Jahren eingeführt. Von Anfang an wurden die Systeme kontinuierlich verbessert, verfeinert und an die sich ständig ändernden Bedingungen angepasst. In diesem Artikel erfahren Sie mehr darüber, was wir in den letzten paar Jahren getan haben, um im Bereich des elektronischen Handels auf dem neuesten Stand zu bleiben. 01000111 01001100 01001000 01000110.
Einen magischen Moment schaffen
Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken, werden Sie sich an den besten Chef, den Sie hatten, das beste Team, dem Sie angehörten, und das beste Projekt, an dem Sie gearbeitet haben, erinnern. All diese Erinnerungen werden sich im Laufe der Zeit ändern, während Sie neue Erinnerungen schaffen. Je mehr Sie erleben, desto mehr Vergleiche können Sie bezüglich dieser Erinnerungen anstellen.
Mit dem Projekt des Aufbaus unserer eigenen SOR-Infrastruktur wollte ich all diese Dinge für alle, die an dem Projekt mitgearbeitet haben, erreichen. Wenn es mir nur gelungen ist, das beste Team zu bilden, in dem je einer der Teilnehmer gearbeitet hat, dann wäre das ein grosser Erfolg. Ich kann nur für mich selbst sprechen, aber für mich war es eines der besten Projekte, an denen ich gearbeitet habe, und definitiv das beste Team, dem ich angehört habe!
Die Geschichte beginnt im Herbst 2019. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir SOR-Lösungen verwendet. Alle hatten ihre Vor- und Nachteile. Bei unserer letzten Softwarelizenz war der grösste Nachteil ein unflexibler Softwareverbesserungs- und Entwicklungsprozess, der in diesem Fall mit einer sehr spezialisierten Software verbunden ist, die nur von einer Handvoll Kunden lizenziert wird. Uns fehlte die Flexibilität, die wir benötigten, um auf die Wünsche aller unserer Kunden einzugehen. Zudem war das Produkt am Ende seiner Lebensdauer angelangt, und wir suchten nach Alternativen.
Wir mussten beschliessen, das bestehende Produkt durch eine Alternative zu ersetzen oder selbst eine Lösung zu entwickeln. Wir wägten diese Option sorgfältig ab und erstellten dann einen vielversprechenden Geschäftsplan, der alle Details enthielt, inklusive Diagrammen, die in Bezug auf Kosten und Leistung auf den ersten Quadranten deuteten.
Letztendlich lief die Entscheidung zwischen «Make» oder «Buy» auf einen Proof of Concept hinaus, der uns zeigte, dass wir über die richtige Technologie und Erfahrung verfügten, um dies unternehmensintern durchzuführen. Mit den hervorragenden Ingenieuren unseres Teams, darunter Tobias Moser, Cyril Hottinger, Evangelos Papakonstantis und allen anderen, die an dem Projekt beteiligt waren, gelang es uns, in nur wenigen Wochen einen funktionierenden PoC zu erstellen. Mit Design Patterns wie der Finite State Machine (FSM) und dem vom Akka-Framework implementierten Actor-Programmiermodell waren wir in der Lage, die richtigen Abstraktionsschichten zu verwenden, um unsere Version einer SOR-Infrastruktur auf dieser Grundlage aufzubauen.
Nachdem der Proof of Concept erbracht war, hatten wir alles, was wir brauchten, um eine realistische Schätzung vorzunehmen, und zusammen mit dem Geschäftsplan stellten wir unserem Senior Management die Option «Make» vor. Im Januar 2020 wurde unser Pitch angenommen, und nun mussten wir liefern.
Grafik 1: Life-Cycle-Management einer Child-Order von PULS
Nach 15 Monaten sehr harter Arbeit, vielen Releases, hunderten von Unit Tests, endlosen schlaflosen Nächten und jeder Menge Blut, Schweiss und Tränen wurde der SOR live geschaltet und in Betrieb genommen. Wir brauchten einen Namen dafür, und bei einer internen Teamumfrage haben wir ihn gefunden. Unser neuer SOR heisst PULS, weil er das Herzstück unseres Equity-Execution-Management-Systems ist. Bis Mai 2021 waren alle bestehenden SOR-Profile – das sind Strategien dafür, wie Trades an den Märkten durchgeführt werden sollen – erstellt worden. Besser noch, alle Profile, die wir schon immer erstellen wollten, aber aufgrund mangelnder Flexibilität nicht erstellen konnten, wurden ebenfalls erstellt. Das bedeutet, dass wir nicht einfach ein Produkt in Betrieb genommen haben, das das bestehende ersetzt, sondern eine noch bessere Version dessen, was wir vorher hatten.
Aber die Geschichte ist damit noch nicht zu Ende: Seit Mai 2021 haben wir die Gelegenheit genutzt, noch mehr auf der PULS-Infrastruktur aufzubauen, die sich als das Next Level Framework herausstellte, das wir immer haben wollten. Im vergangenen Jahr haben wir spezielle Profile geschaffen, um nicht nur Aktien, sondern auch strukturierte Produkte, ETF und festverzinsliche Produkte auf den europäischen Finanzmärkten zu handeln.
Wenn ich jetzt auf die gesamte Initiative zurückblicke, kann ich sagen, dass wir mehr als nur einen magischen Moment geschaffen haben – wir haben viele davon geschaffen. Der wichtigste Aspekt für mich ist die Tatsache, dass unser Team in der Lage war, eine hochwertigere Lösung als die bisherige, welche wir von einem Softwareanbieter eingekauft hatten, selbst zu entwickeln und zu unterhalten. Man darf dazu sagen, dass es einfacher war, eine Software zu entwickeln, die zu 100 Prozent unseren spezifischen Anforderungen entspricht, als ein vollwertiges Softwareprodukt zu entwickeln, das von vielen Kunden übernommen werden kann, die alle unterschiedliche Anforderungen haben.
Das Beste an unserer neuen Situation – jetzt, wo PULS live ist – ist, dass wir nun über ein Tool verfügen, das alle unsere Bedürfnisse erfüllt und das geistiges Eigentum von Vontobel ist, und dass wir das Produkt vollständig unter unserer Kontrolle haben. Wir können entscheiden, was die nächsten Features oder die nächsten Bugfixes sein werden. Wir haben jetzt die Kontrolle über unsere SOR-Infrastruktur.
Warum haben wir unsere eigene SOR-Infrastruktur aufgebaut?
Der Smart Order Router ist eine Software, die final entscheidet, in welchem Markt zu welchem Zeitpunkt optimal gehandelt werden kann. Was die europäischen Aktienmärkte angeht, stellt dies das Herzstück der Execution-Plattform dar. Vontobel hatte in der Vergangenheit diverse Smart-Order-Router-Softwareprodukte lizensiert, deren Ergebnisse jedoch alle nicht restlos zufriedenstellend waren. Aus diesem Grund fassten wir irgendwann den Entschluss, unsere Smart-Order-Router-Infrastruktur komplett unter unsere eigene Kontrolle zu bringen. Das bedeutet, dass wir die Software in unserer Abteilung Trading Product Development selbst entwickelt und die entsprechende IT-Architektur für den Betrieb des SORs selbst gebaut haben.
Einer der Hauptgründe, warum wir unsere eigene Infrastruktur aufgebaut haben, waren all die kleinen Details, die wir in den von uns lizenzierten Softwareprodukten nicht kontrollieren konnten, weil die Software dies nicht unterstützte, das Konzept nicht passte oder es einfach nicht mehr funktionierte, weil sich die Marktbedingungen geändert hatten. Ein konkretes Beispiel ist die dynamische Anpassung von Netzwerklatenzen. Die Netztopologie kann sich jederzeit ändern – z. B. kann ein Bagger jederzeit ein Glasfaserkabel durchtrennen, über das wir unsere Nachrichten von unserem Rechenzentrum zu einem anderen senden. Wenn Sie glauben, dass dies ein unwahrscheinliches Beispiel ist, liegen Sie falsch. Es kommt gut ein paar Mal im Jahr vor. Mit dem bestehenden Produkt war eine Latenzanpassung nur mit Millisekundengenauigkeit möglich, was in der Realität nicht mehr ausreicht. Heutzutage müssen wir in der Lage sein, bis auf Mikrosekunden herunter zu skalieren. Heute sind wir in der Lage, in einem solchen Szenario bis auf die Mikrosekundenebene zu reagieren. Unser SOR ist in der Lage, die geringstmögliche notwendige Verzögerung zu den Child-Orders hinzuzufügen, so dass alle gleichzeitig an den Marktplätzen ankommen, an denen wir parallel handeln wollen.
Um unseren Kunden die Best Execution zu demonstrieren, haben wir eine Datenbank geschaffen, in der jedes Ereignis gespeichert wird, das im Entscheidungsbaum des Lebenszyklus des gesamten Trading-Prozesses entsteht. Mit unserer Trading Analytics Platform™ messen wir die SOR-KPI und verbessern die Preise und Gebühren, wo wir können.
Haben wir bei der Entwicklung von PULS KI, Blockchain oder eine polyglotte Cloud-Infrastruktur eingesetzt?
Die einfache Antwort lautet nein. Wir haben einfache alte Java-Technologie in Verbindung mit dem Linux-Betriebssystem verwendet. Alles läuft auf rein physischer, nicht virtualisierter Hardware. Die Software-Designkonzepte, auf denen wir aufbauten, wie die Finite State Machine oder das Actor-Programmiermodell, stammen aus den 70er Jahren oder sind sogar noch älter. Wir sehen diese Konzepte als universell an, und sie haben sich in den letzten Jahrzehnten als sehr robuste Softwarekonzepte erwiesen.
«Wir glauben, dass in unserem Business Einfachheit der Schlüssel zum Erfolg ist. Deshalb haben wir beim Aufbau von PULS einfache, deterministische Konzepte verwendet.»
Roman Würsch
Head of Trading Product Development
Wir brauchen robuste Konzepte, um etwas zu bauen, das zu jeder Zeit absolut zuverlässig sein muss. Das Wichtigste ist, dass wir deterministische Softwarekonzepte haben, die wir verstehen und kontrollieren können. Ein deterministisches System ist per Definition ein System, bei dem kein Zufall in die Entwicklung zukünftiger Zustände des Systems involviert ist. Dies musste unsere Grundlage sein.
Um auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen: Für mich ist es sehr schwierig, KI und Zufälligkeit zu trennen. Tatsächlich kann ich das eine nicht vom anderen unterscheiden. Determinismus ist das Gegenteil von Zufälligkeit und damit in gewisser Weise auch das Gegenteil von KI. Wir glauben, dass in unserem Business Einfachheit der Schlüssel zum Erfolg ist. Für uns war es extrem wichtig, dass wir jede Entscheidung im System lückenlos nachvollziehen können. Jede Form von Nichtdeterminismus würde es unmöglich machen, nach Abschluss einer Trading-Strategie die Best Execution nachzuweisen.
Mit solch einer soliden Grundlage besteht der nächste Schritt in unserer Philosophie darin, unser Business datengesteuert aufzubauen. Es ist wichtig, Zugang zu den relevanten Daten zu haben und sie nutzen zu können. Bei jeder Art von algorithmischer Handelsstrategie, bei der man eine Hypothese aufstellt, muss man sicherstellen, dass man in der Lage ist, diese Hypothese anhand der richtigen Daten zu testen. Heutzutage wird überall Back-testing durchgeführt, aber es ist noch wichtiger, die Ergebnisse in der Produktionsumgebung zu testen und die ursprüngliche Hypothese zu validieren.
Als wir PULS entwickelt haben, brauchten wir keine Buzzwords – stattdessen verliessen wir uns auf einen soliden Software-Engineering-Prozess, robuste Softwarekonzepte und – was am wichtigsten ist – die richtigen Leute und genügend Zeit, um alles zusammenzubringen.
Was muss während der Implementierung beachtet werden?
- Regulatorische Faktoren wie Gesetzgebung und regulatorische Anforderungen
- EU MiFID II
- Schweizer FinfraG, FinfraV, FINIG und allem voran das FINMA Rundschreiben 2013/8 «Marktverhaltensregeln»
- Vereinigtes Königreich pre-/post-Brexit
- Schweizer Börsenäquivalenz
- Trade und Transaction Reporting
- Topologische Faktoren wie z. B. der Unterschied in den Zeitzonen zwischen Mitteleuropa und dem Vereinigten Königreich innerhalb Europas bringen alle möglichen Probleme mit sich, die es zu lösen gilt. Während die MTF hauptsächlich in London, Amsterdam oder Paris angesiedelt sind, werden die Matching Engines immer noch physisch von London aus betrieben. Die Börsen sind physisch und operativ auf mehrere Städte in verschiedenen Ländern verteilt, so z. B. Zürich, Frankfurt, Stockholm, London und Bergamo. Die Konnektivität zu den entsprechenden Rechenzentren ist eine Schlüsselkomponente für einen SOR. In einigen Fällen ist eine Co-Location in den jeweiligen Rechenzentren erforderlich, um möglichst nahe an den entsprechenden Börsenplätzen zu sein. Andernfalls müssen Sie die Latenztopologie der Netzwerk-Backbones der grossen Konnektivitätsanbieter in Europa kennen.
- Liquiditätsquellen: Alle Arten von verschiedenen Liquiditäts-Pools wie Börsen und MTF (Lit, Dark und Periodic Auctions), Systematic Internalizer und RFQ-Plattformen. Jede Liquiditätsquelle hat ihre eigene Berechtigung. Einige sind durch MiFID II reguliert worden, andere sind das Rückgrat des europäischen Aktienmarktes. Zudem ist die Innovation in diesem Bereich unaufhaltsam, und wir können heute schnell und effizient auf jede Marktanpassung oder Innovation reagieren.
- Funktionalität für bestimmte Handelsplätze: Unterschiedliche Ordertypen je Handelsplatz, wie z. B. Eisberg-Orders, Limit-Plus-Orders oder die Möglichkeit, mit einer Order einen Sweep durch verschiedene Orderbuchtypen vorzunehmen. Unterschiedliche Orders haben unterschiedliche Gültigkeiten, z. B. Immediate-or-Cancel-Orders, Fill-or-Kill-Orders, Day-Orders oder Good-till-Date-Orders. Manchmal verhalten sich sogar ganz gewöhnliche Dinge wie eine Eröffnungs- oder Schlussauktion an den verschiedenen Handelsplätzen unterschiedlich.
- Datenverarbeitung und Skalierbarkeit: Wir müssen alle möglichen Arten von Daten in das System einspeisen. Von den Referenzdaten der gehandelten Instrumente über die Echtzeit-Level-2-Marktdaten aller handelbaren Märkte bis hin zu den Kundeninformationen und zusätzlichen Metadaten, die für den SOR wichtig sind, damit er den Kontext der untergeordneten Order ermitteln kann. All diese Daten müssen in Echtzeit gestreamt werden und verfügbar sein, und sie müssen für jede parallel laufende Strategie auf deterministische Weise zugänglich sein.
- Nachvollziehbare Entscheidungsprozesse: Um nach jeder von uns durchgeführten Execution die Best Execution nachweisen zu können, speichern wir jeden Marktdaten-Snapshot, den wir am Markt sehen, in einer speziellen Datenbank. Auch Marktdaten, die nicht zu einer Execution führen, sind für uns wichtig und müssen gespeichert werden, damit wir im Nachhinein sehen können, warum wir nicht ausgeführt haben.
- Trading-Analyse: Wir brauchen ein separates System zur Validierung und Messung unserer erzielten Performance im SOR. Hierfür benötigen wir einen unabhängigen Benchmark-Anbieter, um jeden einzelnen Trade aus unserem SOR zu bewerten. Die Aggregation aller Benchmarks zeigt die Performance des SOR und macht sie auf allgemeiner Ebene messbar. Dies ist ein Muss, damit wir immer den Überblick behalten und den SOR richtig überwachen können.
- Trading-Strategien: Das Herzstück eines jeden SORs sind die verfügbaren Trading-Strategien. Aus diesem Grund haben wir die Infrastruktur aufgebaut, und dadurch können wir uns von unseren Konkurrenten abheben. Weitere Informationen zu den verfügbaren Trading-Strategien folgen.
Profitieren sie von unserer Expertise in der Trading-Analyse
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Was umfasst unsere Smart-Order-Router(SOR)-Infrastruktur?
Der klare Fokus liegt auf dem Schweizer Aktienmarkt mit SIX Swiss Exchange als Primärmarkt und Aquis, Cboe Bats, Cboe Chi-X und Turquoise als MTF. Darüber hinaus haben wir eine Verbindung zu allen relevanten europäischen SI und Dark Pools.
Wir sind zudem Mitglied der Deutschen Börse (Xetra),der Euronext Franchise (Paris, Amsterdam, Brüssel und Lissabon) und der Nasdaq OMX (Stockholm, Kopenhagen und Helsinki). Unser SOR verfügt über verschiedene Strategien, die für ein Instrument an den Märkten ausgeführt werden können.
Nur Primärmarkt
Wie der Name schon sagt, handelt diese Strategie ausschliesslich auf dem Primärmarkt und garantiert, dass wir den Markt regelkonform integrieren. Die marktspezifischen Phasen werden intern abgewickelt. Dies umfasst Auktionen, Stopp-Trading und spezielle Ordertypen für den Markt, wie z. B. Eisberg-Orders oder die Limit-Order Plus und Eisberg Plus.
Best Price
Bei der Best-Price-Strategie wird nur nach dem theoretisch bestmöglichen Preis gehandelt, der erzielt werden kann. Dabei werden die Kosten, die beim Handel entstehen, vollständig ignoriert.
Best Net Average Price
Der Best Net Average Price bildet die Gebührenstrukturen der jeweiligen Märkte im Handelsprozess ab und versucht, aus der Kombination von erzieltem Preis und anfallenden Gebühren ein Optimum zu erzielen. Die Börsengebühren sind vor dem Handel nicht immer eindeutig bestimmbar, da eine Order nie ganz hinsichtlich der Execution garantiert ist. Es handelt sich also um ein nichtlineares Problem, das wir hier zu lösen versuchen.
Hybrid Markets
Bei der Strategie Hybrid Markets werden Märkte über direkte Marktanbindungen und über einen Broker kombiniert. Durch diese Kombination können wir auf die bestehenden Börsenmitgliedschaften bei den MTF und SI zugreifen, so dass wir diese für Primärmärkte nutzen können, bei denen wir keine direkte Mitgliedschaft haben. Heute handeln wir mit dieser Strategie Aktien an der London Stock Exchange (LSE) und der Borsa Milano. Den Primärmarktanteil handeln wir dabei über einen Broker.
Price Validation Model
SIX Swiss Exchange hat in ihrem XQMH-Segment im Jahr 2020 ein neues Price Validation Model eingeführt. Es wird vor allem für strukturierte Produkte eingesetzt, die in einem sogenannten Quote-driven Market (QDM) betrieben werden. Für die Preisvalidierungsphase in diesem Segment haben wir eine spezifische SOR-Strategie entwickelt, damit wir Bestens-Aufträge sauber abwickeln können.
Rebound
ETF- und Fixed-Income-Handel mit SOR-Infrastruktur. Die Rebound-Strategie wurde für den Betrieb von automatisierten RFQ-Plattformen entwickelt. Heute bedienen wir Tradeweb, MarketAxess, Bloomberg MTF, SIX QuoteOnDemand und Xetra EnLight, und wir sehen in diesem Bereich ein grosses Potenzial. Warum haben wir eine spezielle Strategie für die aufkommenden RFQ-basierten Plattformen und Börsen entwickelt? Der Grund liegt in der zeitlichen Komponente. Bei einem RFQ-Prozess wird eine Order nie an einem einzigen Ort platziert. Die Order wird in Form einer Indication of Interest (IOI) mit einem Zeitlimit herumgeschickt. Diese Art von Prozess kann zu einer sofortigen oder verzögerten Execution führen. Nach Ablauf des Zeitlimits wird der Prozess in der Regel mit einer Abbruchmeldung beendet. Jede RFQ-Plattform hat ihre eigene Art der Implementierung des RFQ-Prozesses. Wir haben erkannt, dass es notwendig ist, diesen Prozess so weit wie möglich zu standardisieren und ihn über eine kontrollierte Handelsstrategie abzuwickeln. Von ausserhalb unserer SOR-Infrastruktur betrachtet, kann die Strategie als ein Standard-Marktplatz angesehen werden. Die Order wird an die Rebound-Strategie gesendet und wird entweder ausgeführt oder verfällt am Ende der Gültigkeitsdauer der Order. Die SOR-Strategie übernimmt die mühsame Arbeit und die wiederkehrenden Prozesse, welche die Order während des Execution-Prozesses zur richtigen Zeit am richtigen Ort halten.
In Kombination mit den bestehenden RFQ-Plattformen gibt es immer noch Börsen oder Broker, die über die traditionelle OMS-Funktion erreicht werden können. Mit der Rebound-Strategie wollen wir die neue RFQ-basierte Welt mit der alten börsen- und brokerorientierten Welt zusammenführen. Hier lautet das Zauberwort: Business Process Automation Engine. Jede Börse, jede RFQ-Plattform, jeder Broker verfügt über einen spezifischen Satz von Ordertypen und assetspezifischen Konfigurationen. Bislang wurden diese Systeme von unseren Execution Traders separat gehandhabt. Wir glauben, dass wir eine sinnvolle Kombination der verschiedenen Handelsplätze gefunden haben, die wiederum die Ausführung erheblich vereinfacht.
Die Rebound-Strategie ist für lange Ausführungszeiten optimiert, die vor allem bei sehr illiquiden Anlageklassen die Regel sind. Im Fixed-Income-Bereich kann es durchaus vorkommen, dass eine Order über viele Tage hinweg sehr nahe am letzten am Primärmarkt gezahlten Preis im Orderbuch platziert wird. Dabei ist es oft schwierig, den Überblick über alle in allen Orderbüchern platzierten Orders zu behalten. Trading-Strategien sind die ideale Lösung für dieses Problem. Eine Strategie wird sich emotionslos dem Prozess der Überwachung aller Orderbücher und dem Betrieb aller RFQ-Plattformen widmen und wird die Order mit der bestmöglichen verfügbaren Liquidität handeln.
Ist PULS fertig?
Ja und nein.
Ja, denn wir sind mit allen oben beschriebenen Handelsstrategien live gegangen. Das bedeutet, dass PULS seit Mai 2021 voll funktionsfähig ist. Dementsprechend haben wir unsere zuvor bestehende SOR-Infrastruktur im Februar 2022 abgeschaltet. In diesem Sinne sind wir bereits über den Point of no Return hinaus – aber ehrlich gesagt, wollen wir nicht dahin zurück, wo wir waren.
Gleichzeitig lautet die Antwort aber auch nein, denn man ist nie wirklich fertig mit der Entwicklung eines Produkts. Vor allem bei all den Dingen, die wir in der Zukunft kommen sehen. Wir sind jetzt in der Lage, neue Handelsstrategien zu entwickeln, von denen wir in der Vergangenheit nur träumen konnten. Die einzige Grenze ist jetzt unsere Vorstellungskraft.
Zusammenfassung
Für mich war diese ganze Reise ein grosser langer magischer Moment. Ich möchte all unseren Kunden, unserem Senior Management und dem gesamten Team für die Möglichkeit danken, Erinnerungen zu schaffen, die ich für den Rest meiner beruflichen Laufbahn bewahren werde. Das ist der Grund, warum ich jeden Tag zur Arbeit komme und weshalb ich weiterhin das tue, was ich tue.
Alles beginnt mit einem persönlichen Gespräch
Publiziert am 18.09.2023 MESZ
ÜBER DIE AUTOREN
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Roman Würsch
Head Trading Product Development
Roman Würsch leitet die Abteilung Trading Product Development im Bereich Transaction Banking bei Vontobel. Er ist verantwortlich für die Entwicklung, den Betrieb und die strategische Ausrichtung der Cross-Asset Execution-Plattform, die sowohl interne als auch externe Kunden bedient.